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Journal in III 7.6.79 von Manuela Reichart

 A commentary on a West Berlin radio station about my show at Galerie Trockenpresse in Berlin in 1979.


"Eine Indianerin , alt, aber gleichwohl unbestimmbaren Alters: das Gesicht voller Falten, umrahmt von dunnem, schlohweissen Haar, um die Schultern eine Lederjacke, reichlich verziert mit bunten Perlen und Fransen. Ihre Hand halt sie sich vor den Mund, so als wolle sie sich jedes Wort versagen. Hinter ihr in einer Ecke: eine andere Alte mit weissen Haaren, aber statt der Indianerjacke tragt sie eine neumodische hassliche Bluse, auch ihr Gesicht ist zerfurcht und gezeichnet, die Mundwinkel sind heruntergezogen, ohne Hoffnung auf ein Lachen. Zwei Frauengesichter, zwei Indianerinnengesichter, in denen man die Geschichte eines unterdruckten Geschlechts und eines unterdruckten Volkes lesen kann.

 

Ein anderes Bild: Ein kahlkopfiger junger Schwarzer sitzt auf einer kleinen Mauer, den Strohhut hat er neben sich ins Gras gelegt, die Zigarette halt er im Mundwinkel, mit geschlossenen Augen und gequalt schonem Gesicht spielt er versunken auf seiner Gitarre.

 

Das sind zwei Fotos aus einer kleinen Ausstellung: Schwarz-Weiss Fotografien von Ilka Hartmann in der Galerie Trockenpresse. Es sind nur 16 Fotos, nicht viel und doch schon fast zu viele auf einmal, denn ein jedes erzahlt eine bedruckende Geschichte voll Melancholie und Trauer. Die Hamburger Fotografin Ilka Hartmann, die seit 1965 in Kalifornien lebt, portraitiert Leute, die man gemeinhin zu den amerikanischen Minoritaten rechnet: Indianer, Chicanos, Schwarze, amerikanische Chinesen. Und sie fotografiert ohne jeden Voyeurismus die Geschichten auf Gesichtern als kollektives Leid. Anders sind eigentlich nur die Bilder von zwei jungen Schwarzen : Der eine, mit einem grossen Sombrero, spielt auf einem Umzug Pauke und lacht vergnugt in die Kamera, der andere, mit Krauselhaaren, Stirnband und Bart schaut selbstbewusst und geradeaus an der Kamera vorbei, so als wisse er sein Ziel woanders.

 

Keines dieser Fotos macht die Portraitierten lacherlich oder ruckt sie vergewaltigend in den Mittelpunkt. Fast nebenbei scheinen die Aufnahmen gemacht, die Kamera gehalten wie ein Freund, der aus der Nahe alle Fehler und Falten kennt, der aber nie verletzt und mit dem Finger darauf zeigt. Und das verleiht diesen Fotos ihre schone Intensitat.

 

Wer mehr als diese 16 Arbeiten von Ilka Hartmann kennenlernen 

mochte, dem sei ein Buch empfohlen 'The Town That fought To Save Itself', die Stadt, die um ihre Rettung kampfte, erzahlt die Geschichte des kleinen Ortes Briones in Nord-Kalifornien, dessen Einwohner fur Selbstverwaltung, alternative Energie und gegen Landspekulation kampften. Ilka Hartmann lebt in Briones, und sie hat diesen Kampf mit ihren Fotos dokumentiert.'The Town That Fought To Save Itself ' bekommt man in der Galerie Trockenpresse fur 22 Mark."

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